Segeltörn auf dem Chiemsee
Letzten Freitag hatte ich einen sehr lässigen Fotoauftrag. Das Software-Entwicklungsunternehmen White Duck GmbH aus Rosenheim machte als Firmenausflug einen Segeltörn auf dem Chiemsee und ich sollte von einem begleitenden Motorboot aus fotografieren. Es ist meine Stärke, aus der Situation heraus spannende Augenblicke zu erkennen und festzuhalten, und dieser Auftrag war natürlich erste Sahne!
Etwas besorgt war ich wegen des Wetters. Der Himmel am Freitagmorgen war grau und sah aus, als würde er einem gleich auf den Kopf fallen, doch war es weitgehend trocken vorhergesagt, hätte schlimmer sein können.
Ich fand mich 40 Minuten zu früh am Hafen in Breitbrunn ein – kleine Verwechslung mit der Fotogeschichte kommenden Montag, die schon kurz vor 9 beginnt – und hatte so genügend Zeit, eine Location fürs Gruppenfoto zu suchen, mir beim Bäcker eine Breze zu kaufen und den Masten der Schiffe im Hafen bei ihrem munteren Klimpern in der morgendlichen Brise zuzuhören.
Pünktlich um Viertel vor Zehn trudelten die Firmenmitarbeiter nebst Chef ein und nach der allgemeinen Begrüßung ging es in’s Stüberl des Segelclubs für den theoretischen Teil der Unternehmung. Hier erklärte der Veranstalter Christopher Kassberger Grundlagen zum Segeln und zum Chiemsee. Zwischendurch öffnete der Himmel seine Schleusen, doch saßen wir da noch bei Kaffee, Lee und Luv und blieben optimistisch.
Anschließend wurden wir mit warmer, wind- und wasserabweisender Kleidung ausgerüstet, worüber ich ziemlich froh war, denn ich friere schnell. Dann ging’s raus an die frische Luft, die Mannschaft postierte sich auf dem Steg fürs Gruppenfoto, dann teilte sie sich in drei Teams, welche mit ihren Skippern zu den jeweiligen Segelbooten gingen. Dort packten sie die Boote aus ihren Mäntelchen, bereiteten Schoten und Leinen und setzten die Segel. Das dauerte natürlich ein Weilchen, da die Skipper ihren Leuten – fast alles Frischlinge – die Handgriffe erst erklären mussten. Das war mir sehr recht, denn so konnte ich zwischen den verschiedenen Stegen hin und her wechseln und bisschen fotografieren.
Dann glitt das erste Boot aus dem Hafen, kurz darauf das zweite, die Crew vom dritten hantierte noch eifrig mit den Leinen, dann folgte auch das dritte Segelboot den anderen auf den See hinaus. Ich ging zum Ende des Steges, wachsam darauf bedacht, auf dem feuchten Holz nicht auszurutschen, und beobachtete die ersten Manöver der Boote. Schön sahen sie aus, helle Segel vor grau nuancierendem Wasser und anders grau nuancierendem Himmel. Tolle Farben.
Auf ins Abenteuer…
Ich ging zurück zum Segelclub um mal nach meinem „Chauffeur“ Christopher zu suchen, der noch mit Aufräumen beschäftigt aber kurz darauf fertig war. Ich schnappte mein Zeugs und schlenderte zur „Barbara“, dem kleinen Motorboot, mit dem wir nun die Verfolgung aufnahmen und den Seglern hinterher jagten. Wir hatten sie bald eingeholt, umrundeten sie, fuhren längsseits, umrundeten sie wieder, und ich spreizte mich zwischen Bordwand und Kabine ein, denn die ganze Geschichte war sehr bewegt und ich brauchte zum Fotografieren beide Hände. Die Wellen der Fahrgastschiffe, die um die Inseln herum ja auch rege unterwegs sind, ließen die Barbara ganz schön tanzen, hinzu kamen die Bewegungen der Segelboote, so dass ich mit sehr kurzer Verschlusszeit arbeiten musste. Bisschen mehr Licht hätte ich mir dafür gewünscht und eine noch größere Brennweite, aber es war nunmal, wie es war, es würde eine ganze Menge verwackelten Ausschuss geben, aber egal. Ich war in meinem Element, begeistert fotografierte ich grinsende Gesichter unter windzerzausten Haaren, schrägliegende Boote im Wendemanöver, schäumendes Wasser, es war ganz klar: Die hatten ihren Spaß! Und ich auch.
Viel zu schnell war dieser erste Teil des Segelabenteuers vorbei und die Boote landeten an der Fraueninsel an. Es war Mittag und wir gingen schnurstracks zum Inselbräu – ein frisch Gebrautes durch die Kehlen rinnen lassen, sich an einer deftigen Mahlzeit stärken und vielleicht ein bisschen Seemannsgarn spinnen…
Das Bier und die Wärme – naja wohl vor allem das Bier – machten mich etwas schläfrig, die anderen waren auch sehr entspannt, doch bevor wir die Füße hochlegen konnten, blies der Chef zum Aufbruch. Wir hatten ja noch was vor. Jetzt sollte es erstmal Portraitfotos der einzelnen Mitarbeiter geben, im Firmenshirt, mit See im Hintergrund. Dafür war das Licht gut und ich suchte eine günstige Stelle am Ufer. Es ging sehr heiter vonstatten, da sich ohne Hosenträger – schließlich sollte das Firmenlogo auf den Shirts gut sichtbar sein – einige Hosen in tiefere Regionen verabschiedeten. Ich konnte teilweise kaum fotografieren vor Lachen, köstlich (Aus Rücksicht auf die Protagonisten gibt es diese Fotos hier leider nicht zu sehen, was ich wirklich bedaure…).
Dann bestiegen die Teams wieder ihre Segelboote, ich stellte mich hinten auf die Barbara, denn nun würde es eine kleine Regatta geben. Die Startlinie wurde zwischen der auf dem See vor Anker gehenden Barbara und einer Boje in Ufernähe festgelegt. Christopher gab ein Hupsignal. Drei Minuten bis zum Start. Die Segelboote kreuzten hinter der Linie, um zur gegebenen Zeit eine möglichst gute Startposition zu haben. Zwei Minuten. Eines der Boote war relativ weit weg, kam nun aber in gerader Linie, während die andern noch wenden mussten. Eine Minute. Nun fuhren alle auf die Startlinie zu. Dreißig Sekunden. START! Alle drei passierten die Linie, wir zogen den Anker ein und fuhren hinterher. Es sah fantastisch aus, wie sich die schlanken Boote elegant in den Wind legten, und ich fotografierte begeistert. Eines hatte die Nase deutlich vorn, und ich kommentierte das. Christopher meinte dazu nur, der Sieger stünde erst am Ende fest, weise Worte eines erfahrenen Seglers…
Da plötzlich, ein durchdringender Pfeifton, der Motor stotterte, dann ging er aus. Christopher versuchte, ihn wieder zu starten, nichts. Er sah den Benzinstand nach, der stimmte, das freute mich schon mal. Er versuchte es wieder und wieder, dann ließ sich die Barbara gnädig dazu überreden, weiter zu tuckern, wenn der Motor auch nicht rund lief und immer ein bisschen vor sich hin meckerte. Die Segelboote hatten da schon die Nordseite der Fraueninsel erreicht. Vorgabe war es, einmal um die Insel herum zu segeln und dann in Richtung Breitbrunn, wo Christopher mit der Barbara die Ziellinie festlegen wollte. Dazu mussten wir dort erstmal hin kommen, denn wir hatten die Segler noch nicht ganz erreicht, als uns die Barbara erneut durchdringend eins pfiff und der Motor wiederum erstarb. Kurz hinter dem Nordsteg der Fahrgastschiffe. Und – ein paar Meter vor uns saß eben jenes Segelboot mit dem Kiel im Sand fest, welches zuerst so einen beeindruckenden Vorsprung gehabt hatte, während die anderen beiden nun lässig vorbei zogen. Der junge Skipper hatte zu hoch gepokert und die Kurve zu eng genommen. Nun saßen sie dort im Sand, während wir ein paar Meter davor auf den Wellen schaukelten, ebenso manövrierunfähig. Christopher tauchte mit dem Oberkörper in die Tiefen des Bootes, drehte hier an einem Schräubchen, wackelte dort an einer Leitung, schüttete ein Anti-Algenmittel in den Filter, probierte immer wieder den Anlasser, nichts. Zwischendurch kam ein Fahrgastschiff direkt auf uns zu, der Motor war ausgerechnet in der Fahrrinne ausgefallen, und mein Chauffeur winkte wild mit den Armen, denn normalerweise hätten wir ausweichen müssen und die waren voll auf Rammkurs… Es war also sogar richtig spannend. Dann kriegte er die Barbara doch wieder flott, es hatte an der Spritzuleitung gelegen, und wir tuckerten zum festsitzenden Segelboot, um es rauszuziehen.
Die beiden anderen Segelboote waren da schon – naja über alle Berge grad nicht, aber außer Sicht hinter der Insel und wir jagten mit heulendem Motor hinterher, dass die Gischt nur so zu allen Seiten spritzte.
Lässig.
Wir holten die Segler ein, die sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen lieferten, fuhren ein Stück voraus und gingen vor Anker, um die Ziellinie zu markieren. Ich hatte nochmals die Gelegenheit, die Boote in voller Fahrt zu fotografieren, wie sie auf uns zu kamen. Sie rauschten dicht an uns vorbei, das eine Boot knapp vor dem anderen, die hatten es spannend bis zum Schluss gemacht. Es gab Jubel bei den Siegern und auch an Bord des anderen Schiffes beglückwünschte man sich zu der guten Leistung des Teams.
Ganz in der Ferne tauchte klein das helle Segel des dritten Bootes auf.
Allmählich kam es näher, denen pressierte nichts, wozu auch, sie genossen ihre Fahrt. Die anderen beiden Boote kreuzten derweil noch ein bisschen, dann ließen sie die Segel herunter und liefen in den Hafen ein. Schließlich kam auch Boot Nr. 3 am Hafen an und fädelte in den Liegeplatz. Die Mannschaften rollten die Segel und Leinen zusammen und deckten die Boote ab, alle Gesichter strahlten, es war für alle ein tolles Erlebnis gewesen.
Ich machte noch Fotos von den einzelnen Teams, und als sie zur Siegerehrung in den Gastraum des Segelclubs gingen, verabschiedete ich mich.
Auch für mich war das ein sehr schöner Tag gewesen. Danke, Markus, für diesen Auftrag!