Abendritt mit kleiner Herde

Alle Hände voll

Alle Hände voll

Der Sommer war besonders in Franken sehr trocken gewesen. Die Weideflächen um Manjas Stall herum waren längst überstrapaziert, so dass ein Umzug zur weiter entfernt liegenden Waldwiese dringend wurde. Nun kann sie alleine nicht vier Stuten und drei Fohlen dorthin bringen – doch bin ich bei sowas sofort dabei. Kleines Abenteuer – das lasse ich mir doch nicht entgehen!

Sie hat an dieser abgelegenen Waldweide eine Hütte mit halber Zwischenetage. Dort haben wir schon öfters übernachtet, brachten nun vorab Wasser, Schlafsäcke und Frühstückssachen hin und stellten mein Auto dort ab. Dann fuhren wir zurück, holten die Pferde von der Hausweide, bürsteten mal drüber und sattelten. Ich hatte zum Reitpferd ein Handpferd, Manja zwei – die zwei kleineren Fohlen ließen wir frei mitlaufen. Anfangs gab es immer mal Verstrickungen, wenn eines der Fohlen zwischen Reit- und Handpferd geriet und vor allem Manja mit gleich zwei Handpferden hatte ganz gut zu tun. Im Wald stieg sie einmal sehr elegant nach hinten ab, als eines der Handpferde rechts an einem Baum vorbei ging, sie mit den anderen Pferden aber links… Die Fohlen liefen brav mit, sie nahm im Wald auch dem jüngeren ihrer Handpferde, einer Jährlingsstute, den Strick ab und wir trabten und galoppierten auf dem federnden Waldweg dahin, bis er zu schmal wurde. Goldene Herbstsonne ließ die Buchen über uns leuchten, malte Schattenmuster auf die Pferderücken…

Wir hatten vorher auf der Karte geschaut, wie wir Dörfer und Straßen am besten vermeiden könnten – mit frei laufenden Fohlen sind Straßenüberquerungen so eine Sache. Wir hielten uns also so lange wie möglich im Wald, verpassten dabei aber eine Abzweigung und fanden uns an einem Aussichtsturm wieder, bis zu dem wir gar nicht gewollt hatten. Das war nun ein blöder Umweg, der uns Zeit kostete. Es gab eine größere Straße auf der Strecke, die wir unbedingt bei guten Lichtverhältnissen überqueren wollten. Ich wollte auf dem Handy auf die Karte schauen und stellte dabei fest, dass ich mein Handy verloren hatte. Ich hatte es in die Tasche der Jacke gesteckt und diese hinter mir am Sattel festgebunden. Offensichtlich war die Tasche nicht ganz zu gewesen und das Handy herausgefallen. Das dämpfte meine Stimmung ziemlich, aber ich hoffte, es später orten zu können. (Aus diesem Grund gibt es hier keine Fotos von Manja mit ihren Handpferden…)

Wir ritten etwas kreuz und quer, immer die Wege wählend, die in die angepeilte Richtung führten, und kamen schließlich in der Nähe eines Dorfes aus dem Wald. Manja nahm auch den Jährling wieder an den Strick, wir nahmen die Fohlen in die Mitte – gar nicht so einfach, sie da zu halten – und passierten das Dorf am Rand. Dummerweise kam uns gerade da ein riesiger Traktor entgegen. Wir bugsierten unsere kleine Herde in die Bucht einer Hofeinfahrt, ich stieg ab und hielt die Fohlen mit ausgebreiteten Armen in Schach, während der junge Bauer sehr behutsam und rücksichtsvoll vorbei tuckerte. Die Pferde blieben alle ruhig, die kennen große Landmaschinen. Ich saß wieder auf und weiter ging es. Die Sonne sank ihrem Untergang entgegen und es wurde allmählich kühl. Wir zogen unsere Jacken an – mit Manjas zwei Handpferden auch kein einfaches Unterfangen – und folgten einem breiten Flurbereinigungsweg durch die Felder. Wir ritten zügig, doch kamen wir trotzdem erst in fortgeschrittener Dämmerung zu jener Straße. Natürlich kamen gerade da Autos, und wir hielten in gebührender Entfernung, bis sie vorbei waren. Dann überquerten wir die Straße in flottem Tempo und wurden erst langsamer, als wir ein gutes Stück Abstand hatten. Ab da konnten wir uns wieder entspannen. Es war nicht mehr weit bis zur Waldweide und es lagen keine Straßen mehr dazwischen. In der Kühle des Herbstabends ritten wir gemütlich dahin, die erst so übermütigen Fohlen trödelten nun etwas hinterher, die waren ganz schön geschafft.
Als wir an der Hütte ankamen, war es dunkel. Wir sattelten auf der Weide ab, die Pferde wälzten sich genüsslich im Gras und machten sich dann über die Äpfel her, die unter einem alten Obstbaum lagen. Wir brachten das Sattelzeug in die Hütte und versuchten dann, mein Handy zu orten. Ging natürlich nicht, kein Empfang dort. Ich war recht unentspannt, also setzten wir uns ins Auto und fuhren ein Stück, um eine Stelle mit Empfang zu finden. Doch da war dann Manjas Akku leer… Der Akku meines Handys würde aber bis zum nächsten Morgen auch leer sein, deshalb fuhren wir zurück zu Manjas Hof, um ihre Powerbank zu holen. Dort war auch Empfang, und als ihr Handy wieder etwas Saft hatte, kam eine Nachricht von meiner Freundin Margit hereingeschwebt, ob ich denn mein Handy verloren hätte… – Hä? Wie konnte Margit das wissen? Die wohnt bei Wolfsburg. Wir riefen sie an und sie erzählte eine unglaubliche Story: Jemand hatte beim abendlichen Radfahren mein Handy gefunden, kam aber ohne Pin natürlich an keine Infos heran. Nun hatte aber meine Freundin Margit eben da eine Nachricht geschickt, so dass ihr Name auf dem Sperrbildschirm angezeigt wurde. Zum Glück hat sie einen ungewöhnlichen Nachnamen und zum Glück war der Finder auch findig, so dass er ihren Namen googelte, sie fand, anrief und fragte, ob sie eine Bekannte im Raum Hofheim hätte. Nun wohne ich ja nicht in Franken, aber Margit kennt Manja und weiß, dass ich öfters dort bin, und so rief sie wiederum meine Mutter an, erzählte ihr das Ganze und bekam Manjas Handynummer von ihr und ich von Margit die Nummer des Finders. Und so kam schließlich am nächsten Tag mein Handy nach seinem kleinen Extraausflug wieder zu mir…

Und ich konnte diesen Abend nun doch auch noch genießen. Wir fuhren zurück zur Hütte, machten es uns im Zwischenlager unter dem Dach in unseren Schlafsäcken gemütlich, mit einer Stalllaterne als Lichtquelle und dem einen oder anderen Gläschen Kirschwein. Draußen zirpten Grillen, ein Käuzchen rief im Wald, wir hörten die Pferde auf der Weide. Es hätte kitschig sein können, aber wir genossen den Frieden und unsere freundschaftliche Zweisamkeit und kuschelten uns schließlich in die weichen Daunen, nahmen die Geräusche des Nachtwaldes mit in unsere Träume.

Am nächsten Morgen sahen wir zuerst nach den Pferden, die uns gelangweilt entgegenschauten, dann machten wir mit dem Kocher Wasser heiß für einen Kaffee und frühstückten in der Sonne vor der Hütte. Herrlich! Was für ein Frieden! Etwas zögernd räumten wir anschließend die Frühstückssachen weg und machten uns auf den Weg zu meinem Handy…