Tennengebirge

Heugasse im Tennengebirge

Heugasse im Tennengebirge, im Hintergrund der Dachstein

 

Diese Tour ist schon ein paar Jährchen her – es war im August 2014 – doch ich bin jüngst wieder auf meine Aufzeichnungen gestoßen und war beim Lesen wieder mittendrin in diesem feinen, kleinen Abenteuer…

Das Tennengebirge hatte mich schon länger gereizt, vor allem, seit mir mein Freund Otto nach seiner ersten Tour dort oben davon vorschwärmte. Es war ihm also ein Leichtes, mich zu einer gemeinsamen kleinen Tennengebirgsrunde zu überreden, als das Wetter seit langem mal wieder für zwei ganze Tage stabil gemeldet war.
Otto holte mich um sieben ab und wir fuhren in schönstem Sonnenschein nach Pass Lueg (552m) bei Werfen. Über dem Tennengebirge tummelten sich dichte Wolken – na super… Während wir unsere Siebensachen ausluden, in die Wandertreter schlüpften und nochmal die Ausrüstung checkten, sah man sich den Himmel aber schon merklich lichten – das war recht tröstlich.
Der Wanderweg – eher Pfad – wand sich kurz nach unserem Parkplatz durch den Wald und durch unangenehm langgrasige Freiflächen (es hatte in der Nacht geregnet und alles war schön nass) zügig bergauf. Bald wurde der Weg felsig und stufig und führte schließlich an einer langgezogenen schrägen Felswand entlang steil nach oben. Wir kamen an zwei eindrucksvollen Schachthöhlen vorbei – davon wimmelt es im Tennengebirge, und denen möchte man bei aller Neugier doch nicht zu nahe kommen. Der Weg war sehr interessant, aber auch sehr rutschig und rauf war da eindeutig besser als runter. Inzwischen hatten sich die Wolken so ziemlich verdünnisiert und als wir schließlich oben auf den ersten kleinen Gipfel kamen, das „Niedertörl“ (1812m), hatten wir einen tollen Blick auf die südwestlichen Gipfel des Tennengebirges und auf das Salzachtal tief unten.

Da pflanzten wir uns gemütlich zwischen die Latschen und packten unsere Leckereien für die erste Brotzeit aus. Was man im Magen hat, braucht man nicht auf dem Rücken tragen…

Frisch gestärkt schlängelten wir uns dann durch die Latschen in das tiefer liegende Tal, die „Vordere Pitschenbergalm“. Von weitem hörten wir schon die Glöckchen und Rufe von Schafen und je näher wir dem Almtal kamen, desto häufiger hatten sie den Weg „garniert“.
Als wir durch eine felsige Engstelle um die Kurve kamen, weitete sich das Tal plötzlich und vor uns lag ein kleiner grüner See mit einer Ruine davor. Das hätte auch in Schottland sein können und sah sehr pittoresk aus. Natürlich hüpfte ich um die Ruine herum und fotografierte von allen möglichen Blickwinkeln aus, während Otto geduldig auf der Stelle trat…
Leider hatten mehrere unmögliche Menschen ihren Müll im Inneren der Hausruine hinterlassen und ebenso in dem kleinen Anbau – Schweinerei!!
Um das Haus herum gab es noch Reste einer Steinmauer, die wohl mal die Schafe inner- oder außerhalb gehalten hat. Die ging wohl auch mitten durch den See, denn da sah man auch noch Reste davon.

Weiter ging‘s durch das schöne grüne Tal, begleitet von Geblöke und dem Gebimmel zahlreicher Schafsglöckchen, hinauf zum Leopold-Happisch-Haus. Wir hatten immer wieder einen traumhaften Blick zurück in das Tal; der kleine See darin leuchtete blau wie ein Edelstein.
Beim Haus beschlossen wir eine Schorle zu trinken, weil wir uns den Wirt mal anschauen wollten, über den wir ein paar Kauzigkeiten gehört hatten.
Der war wohl etwas eigen, aber das war offensichtlich eben so seine Art und er war durchaus gesprächig und geizte nicht mit Tipps und Beschreibungen der Landschaft ringsum. Die wir begierig aufsogen.
Von ihm erfuhren wir auch, dass die Strecke über die umliegenden Gipfel, die wir uns auf der Karte für den weiteren Tourenverlauf ausgesucht hatten, in ca. 4 Stunden machbar war, was wir ohne Geländekenntnis selbst nicht hätten abschätzen können.
Bei diesem Päuschen hatten wir die ganze Zeit den weiteren Talverlauf vor Augen – wunderschön!

Der Weg hinauf führte erst mal ein Stück zurück, oberhalb des Tales am Hang. Dort hatte ich in der Karte was von „Gruber Eishöhle“ gelesen, und als wir an eine Abzweigung kamen mit dem knappen Hinweis „Grub“ auf einen Felsen gepinselt, war auch schon klar, dass wir diesen Abstecher mitnehmen würden. Da die Rucksäcke auch nach zwei Brotzeitpausen noch nicht spürbar leichter waren, ließen wir sie an der Abzweigung und gingen das kurze Stück zur Eishöhle federleicht ohne Gepäck. Wir hatten ja schon keine allzu großen Hoffnungen gehabt, was die Höhle und das Eis betrifft, und diese bescheidenen Erwartungen wurden auch nicht übertroffen: Keine Spur von Eis, es tropfte nur stellenweise ein bisschen, und die Höhle war auch eher eine relativ mächtige Grotte. Taschenlampe konnte man sich sparen. Dass die mal Eis hatte, muss lange her sein…

Nach der Eishöhle kamen wir – wieder mit den Rucksäcken vereint – endlich in so eine richtige Steinwüste, wie ich sie liebe. Die führte uns hinauf auf die Hochflächen, wo sich ein grasbuckeliger Gipfel hinter dem anderen versteckt. Die am Südrand fallen alle schroff und senkrecht ins Salzachtal ab, aber das Gelände ist angenehm einfach zu gehen. Buckel rauf, Buckel runter, trabten wir so dahin in der Nachmittags- und später Abendsonne und genossen immer wieder spektakuläre Ausblicke ins Tal und über das Tennengebirge.

Überall da oben pfiff ein fieses eisiges Lüftchen – da konnte man immer nur kurz stehen bleiben zum Schauen, bzw erwischten wir mal eine Stelle nahe der Südkante, die im Windschatten einer größeren Erhebung lag, einen tollen Blick nach unten bot und auch noch in der Abendsonne war. Da machten wir eine Riegel-Pfirsich-Nuss-Pause, bevor wir das letzte Stück über die Buckel in Angriff nahmen. Geplant war ursprünglich, die Gipfelkette bis zuende zu gehen und unten im Tal ein Plätzchen für die Nacht zu suchen – es war aber absehbar, dass wir das vor Sonnenuntergang nicht mehr schaffen würden. Auch egal – wir kamen immer wieder mal an ebenen grünen Fleckchen vorüber, die recht einladend aussahen. Irgendsowas würden wir zur rechten Zeit schon finden.

Ein Paar kam uns entgegen – die wollten auch draußen irgendwo übernachten, und wir ratschten kurz ein bisschen.
Sehr nett, die zwei.

Eine Weile später kam uns noch jemand entgegen – ein Mann mit mächtigem Rucksack hinten drauf, so ein ganz cooler, mit nacktem Oberkörper – so hitzig fand ich‘s da oben gar nicht – und Spiegelbrille. Der erklärte uns, er würde auf dem Raucheck – das ist der höchste sämtlicher Buckel – übernachten und am nächsten Morgen mit dem Schirm fliegen. Wir rätselten im Weitergehen noch, wo er wohl seinen Schlafsack versteckt hätte im Gepäck, denn für Gleitschirm plus warmen Schlafsack sah seine Ladung doch fast zu moderat aus. Oder ob er sich in seinen Schirm wickeln würde?… Wir lästern ja gern.

Kurz darauf sahen wir die Edelweisserhütte vor uns auftauchen und erreichten sie auch bald. Ausgerechnet dort in der Nähe war es aber nicht gut bestellt mit ebenen, grünen Plätzchen. Außerdem fanden wir wirklich gar nichts Windgeschütztes. Dafür hatte die Hütte ein neues Klohäuschen, ganz oben auf der Höhe, mit Blitzableitern und Wahnsinnsausblick bis zum Dachstein. Auch schön. Man musste nur die Tür offen lassen, dann konnte man beim Geschäft in die Ferne blicken wie zuhause in die Zeitung…

Vor der Hütte zogen wir schnellstens alles drunter und drüber an, was ging, denn die Sonne war da schon sehr dünn und es wurde schnell ungemütlich kalt. Dann suchten wir in der Umgebung nach einem einigermaßen windgeschützten Fleckchen Grün, wurden aber nirgends fündig – das eisige Lüftchen fuhr uns überall unter die Jacken. Einzig kurz unterhalb der Hütte war ein halbwegs kommodes Plätzchen, aber wirklich verlockend war es nicht.
Grandios war der Sonnenuntergang hinter sämtlichen Gipfeln. Ich konnte mich gar nicht satt sehen und war zum soundsovielsten Mal an diesem Tag froh, die dicke Kamera mitgeschleppt zu haben.

 

Die Hütte hatte einen Anbau, der als stets unverschlossenes Winterlager dient, und da drin gab es auch einen Tisch und zwei Stühle. Und es war windgeschützt und damit gleich um einige Grad wärmer. Außer uns war niemand bei der Hütte, also ließen wir uns zum Abendessen darin nieder, zogen die obersten Schichten wieder aus und gut war‘s.

Als wir schon dabei waren, die Sachen für draußen zusammen zu packen, meinte Otto – der meine unbedingte Vorliebe fürs Draußenschlafen kennt – vorsichtig, „ma kannt‘ ja aa drin schlafa…“ womit ich sofort einverstanden war. Gar keine Frage. Weil so ein uraltes Hüttchen ja immer was muffig ist und wir außerdem so einen schönen Blick durch die Tür auf den Hochthron hatten, ließen wir die Türe offen, und Otto machte sich unten breit und ich mich oben flach – da war nicht viel Platz zwischen oberer Liegefläche und Dach.

Sehr gemütlich. Auf die Sterne konnte ich gerne verzichten in dem Fall.

Frühmorgens wurde ich wach – ich war nachts auch ein paarmal wach – und es wurde gerade hell, der Hochthron hatte einen zarten Schein. Da wäre es super gewesen, aufzustehen und den Sonnenaufgang auf den Gipfeln zu sehen und fotografieren. Aber es war im Schlafsack so schön gemütlich warm und draußen eisig kalt und außerdem hatten wir ja noch eine ganz schöne Tour vor uns und da muss man ausgeschlafen sein. Also blieb ich, wo ich war, drehte mich wieder um und schlummerte weiter. Beim nächsten Erwachen war der Hochthron schon in strahlendes Licht getaucht, die Sonne hatte es auch ohne mich geschafft. Wir schälten uns aus den Schlafsäcken und fuhren gleich wieder in die warmen Klamotten – es herrschten frische Temperaturen.

Von weitem hörte man Schafglocken bimmeln, die sich näherten, und über die Hügel kam eine kleine Herde angetrottet. Alle sauber und plüschig. Und neugierig. Sie kamen direkt zu uns und wollten mal gucken, was wir so zum Frühstück hätten, aber wir waren geizig und verteidigten unsere Rucksäcke und Futterbeutel. Vor allem ein Leitschaf war sehr interessiert. Wir wuschelten die Schafe ein bisschen im Plüsch, was ihnen zu gefallen schien, dann zogen sie glöckchenklingend weiter.

Wir machten auf der Hügelkuppe im warmen Sonnenschein Frühstück, während Nebel aus dem Tal aufstieg, umherzog und sich wieder auflöste. Nach ausgiebigem Frühstück packten wir unsere Siebensachen und verließen die gastliche Hütte, nicht ohne unser Scherflein in den dafür vorgesehenen Metallkasten zu stecken.

Nicht weit von der Hütte waren drei wirklich gruselig tiefe Löcher im Boden neben dem Weg. Neugierig, wie der Mensch ist, warfen wir natürlich Steine rein. Und die hörten wir in gewissen Abständen immer wieder aufschlagen, bis sich das Geräusch in der Tiefe verlor. Was da rein fällt, kommt nicht mehr raus! Das war respekteinflößend und da hielten wir uns vom Rand lieber etwas fern. Im Verlauf der Wanderung kamen wir noch an vielen schwarzen Löchern vorbei, die meisten tief genug, um sich besser nicht zu weit vor zu beugen, und manche ähnlich eindrucksvoll wie diese.
Das Tennengebirge ist wohl so eine Art Schweizer Käse. Dafür hat es an der Oberfläche so gut wie kein Wasser, abgesehen von zwei, drei größeren Pfützen im felsigen Nirgendwo, die auf der Karte als „Lacke“ verzeichnet sind und an denen sowieso keiner der wenigen Wanderwege vorbei führt. (Außer an dem See mit Hausruine im Tal)

An der Kreuzung, an der ein Wanderweg durch das Tal vom Happpisch-Haus raufkommt, trafen wir die zwei Netten vom vorigen Abend wieder. Die waren tatsächlich noch die ganze Gipfelrunde bis ins Tal hinunter gegangen und hatten beim Haus am See übernachtet. In der Früh waren ihre Rucksäcke und Schlafsäcke obendrauf gefroren gewesen. Wir hatten oben bei der Hütte auch einen Reifüberzug auf den Gräsern gesehen… Wir ratschten ein bisschen und zogen dann unseres Weges. Hin und wieder wagte sich der Nebel nochmal aus dem Tal herauf. Die Abzweigung unseres Weges, die auf der Karte so schön deutlich eingezeichnet war, war in der Realität unsichtbar, und so stiefelten wir erst mal in die falsche Richtung.

Zum Glück kam mir das recht bald spanisch vor, und wir machten kehrt und gingen den Weg wieder hinauf, den wir so flott hinuntergestiegen waren. Es ließ sich aber partout keine Abzweigung finden, und so holten wir die Karte heraus und verglichen sie mit der Landschaft, wo der Weg denn sein könnte. Viele Möglichkeiten waren es nicht, da wir aus Süden gekommen waren, die Ostrichtung erwiesenermaßen falsch war, im Südwesten das Tal vom Happisch-Haus lag, sich im Westen ein breiter Grat hinzog und vor uns im Norden ein flaches Tälchen ausbreitete. Blieben nur das Tal und der Grat. Auf letzterem war absolut keine Spur zu sehen, also konzentrierten wir uns auf das Tal und glaubten auch, in der Steinwüste einen Pfad zu sehen – oder sowas Ähnliches. Also stiegen wir hinunter. Schönes Tal, ich freute mich darauf, es zu durchwandern. Nur fanden wir keinen Pfad. Einige Schafe, die uns befremdet entgegen schauten, eine Gruppe Gemsen, aber keine Spur eines Pfades.

Sandkar, Tennengebirge

Sandkar

Wir vertieften uns nochmal in die Karte und stellten fest, dass wir im „Sandkar“ gelandet waren. Wenn man die Karte richtig hielt, war das offensichtlich. Also gut. Ich durfte also nicht durch das schöne Tal wandern, sondern wir stiegen zurück, wieder diesen Berg hinauf. Den kannten wir jetzt schon von den verschiedensten Seiten. Nach einer halben Stunde waren wir wieder am Ausgangspunkt und konzentrierten uns auf den Grat. Dort trafen wir unsere plüschigen Freunde vom Frühstück wieder. Die auch prompt wieder in unsere Rucksäcke schauen wollten. Das gab ein richtiges Gedrängel.


Eine farbige Wegmarkierung war nicht zu entdecken, aber bei genauerem Scannen der Landschaft verschiedene Steinmännchen, die scheint‘s auch irgendwo hin führten. Das Tennengebirge ist ja nicht sehr viel begangen – wir trafen an diesem Tag keine weitere Menschenseele – entsprechend gibt es auch nicht sehr viele Wege und auch die sind teilweise eben nur durch Stoamanndln gekennzeichnet. Es ist gar nicht immer so einfach, den nächsten Steinhaufen zu erkennen, schließlich ist da oben alles aus Stein. Im Nebel möchte ich da nicht sein, da vergisst man schnell, wo oben und unten ist…

Wir hangelten uns von Steinmännchen zu Steinmännchen, bis wir zu den Wieselsteinen kamen. Der Weg führte rechts an der Flanke des Südlichen Wieselsteins vorbei, wo wir auch wieder auf einen farbig markierten Weg trafen. Das war fast schade, denn es macht schon Spaß, nach den Stoamanndln Ausschau zu halten und dabei durch die wilde Landschaft zu klettern.

Vom Wieselstein ging‘s rüber zum Knallstein – für den mir auch ein schönerer Name einfallen würde – und an dessen Flanke ein gutes Stück hinauf. Da es bis zum Gipfel nicht mehr weit war, deponierten wir die Rucksäcke an der Weggabelung und kraxelten noch bis ganz nach oben. Und gerade, als wir den Gipfel erreichten, kam eine dicke Wolke und hüllte uns und den Knallstein in kaltes, dichtes Weiß, so dass wir absolut nichts sahen von der erhofften tollen Aussicht ins Tal!
Also stiegen wir gleich wieder runter, denn es wurde sofort ungemütlich kalt, und kaum, dass wir wieder bei den Rucksäcken waren, verzog sich die Wolke und die Sonne schien erneut. Frechheit!

Der weitere Weg führte an einem Schuttkegel entlang nach unten und dann über eine schräge Karstfläche. Von oben hatte man einen guten Blick auf diese Karstfläche und ihre zahlreichen Löcher. Es gab da eine Spalte, die sich durch die ganze Fläche zog und an manchen Stellen durch Löcher erweitert war. Besonders ein kreisrundes fiel da ins Auge. Im Tieferkommen sahen wir, dass es gar nicht so weit war von der markierten Wegführung bis zu dem Loch, und natürlich gingen wir an der Spalte entlang bis dorthin. Letztendlich war die Höhle, die sich dort fand, aber gar nicht so gewaltig – es ging schräg über Geröll abwärts und unten lag ein Schneerest. Ein paar der anderen Löcher entlang der Spalte hatten beim Steinwurftest ein wesentlich imposanteres Ergebnis geliefert. Die Neugier war also befriedigt.

Nicht weit von dem runden Loch waren wir auf einen markierten Weg gestoßen, der vom Wieselstein herunter kam, und dem folgten wir über die Karstfläche abwärts. Unten im Grünen weideten Schafe, und ihre Glöckchen bimmelten bis zu uns hinauf. Und dann sah ich beim Überklettern der soundsovielsten Spalte, dass da ein Schaf drin lag… Ein ausgewachsenes Tier, mit Glocke am Hals, ein Leitschaf also. Das Loch war auch gerade groß genug, dass es rein passte, den Kopf hatte es nach oben gestreckt und atmete schwer. Nicht schon wieder ein verunglücktes Schaf – das hatte ich ja erst im Vorjahr mit Manja im Steinernen Meer gehabt!!

Wir besahen uns die Sache. Das Problem war einerseits, dass dieses Loch so eng und schmal und überall scharfkantig war, dass nur höchstens eine Person sich hineinbeugen konnte, und andererseits das Schaf ausgewachsen war und was wog. Außerdem war es offensichtlich ziemlich schwach, wahrscheinlich auch verletzt, denn es hatte Blut an Maul und Nasenlöchern, und das Loch war auch noch etwas schräg, so dass man das Tier beim Rausheben hätte drehen müssen. Wir überlegten lange, wie wir es rauskriegen könnten, und Otto stieg rein und versuchte, seinen Gürtel unter dem Tier durchzufädeln, um es daran hochzuziehen, aber das ging nicht. Keine Chance.
Schweren Herzens mussten wir es darin liegen lassen. Jemand anderes hatte sowieso schon ein Steinmännchen an dieser Stelle aufgestellt, um einem eventuell nach den Schafen schauenden Schäfer als Hinweis zu dienen – aber vom Tal bis rauf war ein mehrstündiger Aufstieg und lebend war das Tier nicht mehr aus dem Loch zu kriegen – wer hätte da kommen sollen? Das gehört da oben dazu, auch wenn es ein Scheißgefühl war, gar nichts für das Tier zu tun und einfach des Weges zu gehen.

Weiter unten, wo die Karstfläche in ein Latschendickicht und Grasflächen überging, kamen wir an eine entzückende kleine Quelle. Da erfrischten wir uns erst mal -wobei „frisch“ die genau passende Bezeichnung für das Wasser war. Ich war schnell fertig mit der Wäsche.

Von da ab ging es durch Gras-Latschengebiet und dann durch einen wunderschönen üppig grünen Bergwald mit Lärchen. Bei der Stefan-Schatzl-Hütte – die erst mal nicht als diese erkennbar war, weil nicht beschildert – machten wir nochmal ein Päuschen und vertilgten, was vom Proviant noch übrig war. Die Sonne hatte sich da schon endgültig hinter tiefhängenden Wolken verzogen und es war empfindlich kühl.

Es ging von der Hütte noch ein Stück auf dem Pfad durch den Wald, dann kamen wir auf eine neu angelegte Forststraße – eine richtige Autobahn, wie eine Wunde zog sie sich durch den Bergwald. Auf der mussten wir in endlosen stupiden Serpentinen hinunter gehen, bis wir zu einer Abzweigung kamen. Das Auto stand ja weiter westlich am Pass Lueg, und bis dahin war‘s noch ein gutes Stück. Erstmal ging der Weg bis zur Infang-Alm – die war relativ schnell erreicht und ich war innerlich schon froh darüber, bald am Auto zu sein, da meine Knie vom steilen Bergabgehen schon etwas mürbe waren. Bei der Alm lasen wir auf einem Schild „Pass Lueg 1,5h“ – ich mochte meinen Augen kaum trauen!
Unser Weg schlängelte sich durch den Wald, dann ging‘s über einen Pfad schön malerisch an einem Bach entlang, dann wieder über eine Forststraße, und allmählich dunkelte es im Walde. Der Weg zog sich und zog sich und ich hatte bald keinen Bock mehr auf Forststraße im Halbdunkel. Ich dachte nur immer „hoffentlich ist das richtig, nicht, dass wir wieder zurück müssen…“ weil‘s gar so endlos dahin ging und wir an einer Felswand vorbeigekommen waren, die aussah wie die, an welcher wir am Vortag ins Tennengebirge hinaufgestiegen waren…

Irgendwann kamen wir dann aber doch am Auto an, welche Freude! Schön, sich einfach auf den weichen Sitz fallen zu lassen, kein Rucksackgewicht mehr auf dem Rücken, mit frischem T-Shirt, und den letzten aufgesparten süßen Riegel zu verputzen! Wir waren auch noch nicht lange losgefahren, da kamen wir in die angekündigte Schlechtwetterfront mit kräftigem Regen. Gutes Timing!