Sommertage auf der Moldau – Tag 3 – Cesky Krumlov

Die Sonne kommt den Fluss herauf

Die Moldau im Morgenlicht

Nach einer friedlichen und erholsamen Nacht am Fluss wachte ich ziemlich früh auf – schön, so ohne  Uhr – und schaute den Sonnenstrahlen dabei zu, wie sie sich flussaufwärts tasteten. Ich kletterte ein wenig mit der Kamera herum und machte ein paar Fotos. Die Morgenstimmung am Fluss war fantastisch…

Nicht lange, und Rut tauchte auch aus ihrer blauen Wurst auf. Wir bürsteten Haare und Zähne – vermieden dabei allerdings das Flusswasser – und machten uns dann auf, in die „Küche“ unter der Felswand. Es gab, wie auch am Vortag, Müsli mit frischem Obst und löslichem Kaffee. Powerfrühstück, mit Blick auf den Fluss besonders schön.

Wir ließen uns Zeit und packten in aller Ruhe zusammen, trotzdem war weit und breit noch kein Boot auf dem Fluss zu sehen. Wir holten die Perle aus ihrem Gebüsch und stellten sie am Ufer fast auf einen Grasfrosch, der erschrocken einen Riesensatz machte. Der hatte die perfekte Tarnfarbe zwischen dem vertrockneten Laub. Gut, dass er so große Sprünge machen konnte… Vorsichtig ließen wir die Perle zu Wasser – das Ufer war sehr steinig und die Steine rutschig – und luden ordentlich alles an seinen Platz, uns am Schluss auch. Ein bisschen knifflig war das Ablegen – zehn Meter flussabwärts schaute ein dicker Stein aus dem Wasser, den wollte ich nicht rammen. Ursprünglich hatte ich geplant, links daran vorbei und in die Flussmitte zu kommen, aber die Strömung war zu schnell, wir auch, und so flutschten wir doch rechtsseitig zwischen Stein und Ufer durch.

Gut getarnt - fast zu gut...

Grasfrosch; hat nochmal Glück gehabt…

Die Strecke nach Borsov war leider recht kurz, doch hatte sie als kleines Highlight ein altes verfallenes Wehr, in dessen Hauptströmung wir flott durch die Schwallungen ritten. Kein anderes Boot war zu sehen, wir hatten den Fluss ganz für uns – herrlich!

Was uns auch schon im Oberlauf aufgefallen war, ist der Mangel an Getier am Ufer. Wir sahen in den drei Tagen insgesamt vielleicht acht Enten, und das war alles. Keine Reiher, keine Blesshühner, keine Wasseramseln – nichts! Das verwunderte uns schon etwas, denn auch die Altmühl ist gut besucht und hat trotzdem viel Vogelvolk. Und alle naslang Biberspuren – auch solche sahen wir an der Moldau nicht.

Kurz vor Borsov kommt ein unfahrbares Wehr, das wir mit dem Bootswagen umkurvt haben – bisschen lästig war das schon, alles Gepäck raus, Boot aus dem Wasser die Betontreppe raufhieven, auf dem Bootswagen 40m weiter fahren, Boot über die nächste Betontreppe vorsichtig wieder reinsetzen, Gepäck nachholen. Wo ein paar hundert Meter flussabwärts die Fahrt am Kemp Borsov sowieso zuende war…

Der Campingplatz liegt in einer Kurve, direkt gegenüber einer hässlichen Fabrik, von welcher zwei dicke Rohre mit ihren Öffnungen zum Fluss gähnten. Es kam aktuell nichts raus, doch irgendwo müssen die Schaumkrönchen ja ihren Ursprung haben, das waren bestimmt nicht die einzigen Abwasserrohre ihrer Art am Fluss…

An diesem Campingplatz gab es keinen Schatten, und die Hitze brütete. Wir schafften Boot und Zeugs an Land und sahen uns nach einer Mitfahrgelegenheit um. Das gestaltete sich schwierig. Ich fragte zwei Parteien, die jeweils ihre Boote auf’s Auto luden, doch die sprachen weder Deutsch noch Englisch und fuhren auch nicht nach Zlata Koruna, soviel bekam ich raus. Ich bekam auch raus, dass weder Bus noch Bahn direkt nach ZK fahren, sonder nur nach Budweis und man dort umsteigen muss. Darauf hatte ich ja nun gar keinen Bock und hielt weiter Ausschau nach einer Mitfahrgelegenheit. Rut trieb derweil eine Gruppe junger deutscher Herren auf, die zwar selber ohne Auto unterwegs waren, aber die Telefonnummer eines Taxiunternehmers hatten. Den rief ich an, der konnte einigermaßen Deutsch.  Allerdings verstand er zwar, dass ich das Auto in Zlata Koruna hatte, aber nicht, dass ich in Borsov war. „Welche Bahnhof sind Sie?“ Kein Bahnhof. B O R S O V! Verstand er nicht. Ich spurtete zurück zu den Deutschen. „Wie spricht man Borsov aus?“ „BORSCHOFF!“ Also versuchte ich es mit „sch“ in der Mitte, und das verstand der Taximensch. Jetzt frage ich: Wie groß ist der Unterschied zwischen „s“ und „sch“ in diesem Namen, dass man da nicht auf den gesuchten Ort kommen kann, zumal es nur 8km sind zwischen ZK und „Borschoff“? Jedenfalls war das nun geklärt, und der Taximann meinte, um 12 sei er da. ZWÖLF!?? Jetzt hatten wir kurz vor Elf. So lange wollte ich wegen 8km nicht warten in der Hitze, da vertraute ich doch lieber auf Daumen-raus. Und sagte ab. Hinterher dämmerte es mir, dass es noch ein Borsov gibt – das hier war Borsov nad Vltavou, Borsov an der Moldau – da hätte ich den guten Mann um ein Haar ganz woanders hin geschickt…

Jedenfalls versuchte ich mein Glück wieder auf dem etwas oberhalb gelegenen Parkplatz, auf dem ein Lieferwagen stand mit einem grantigen Alten und einem sympathischen Jungen. Letzteren fragte ich, ob er Deutsch spreche. Er sprach sehr gut Englisch. Und sie waren drauf und dran, nach Zlata Koruna zu fahren. Na bitte! Der grummelige Alte grummelte zwar etwas, weil auf dem zweiten Beifahrersitz ein Klamottenturm prangte, doch der Junge räumte den kurzerhand nach hinten, und schon war Platz für mich. Na bitte! Ich stieg ein und hatte auf der Fahrt eine sehr nette Unterhaltung mit dem Jungen, der nämlich doch auch ganz gut Deutsch sprach, diesbezüglich nur etwas schüchtern war. Er wollte ab Herbst in Deutschland arbeiten und nutzte das Gespräch zur Übung. Es ging hin und her zwischen Deutsch und Englisch. Ich fand heraus, dass „Ahoj“ die tschechische Entsprechung für „Hallo“ ist – nicht nur unter Kanuten – und dass am vergangenen Wochenende der tschechische Hitzerekord seit Jahrzehnten war. Es ist doch immer wieder schön, welch nette Begegnungen man beim Per-Anhalter-Fahren hat. Der grantige Alte schimpfte immer mal auf den Verkehr, sprach aber weder Deutsch noch Englisch, was ich als Vorteil empfand. Direkt an der Einsetzstelle ließen sie mich raus und ich bedankte mich bei dem Grummeligen auf Tschechisch – ich hatte den Jungen gefragt, was das heißt. So höflich wollte ich doch mindestens sein.

Ich wünsche dem netten jungen Mann viel Glück bei seiner Arbeitsstelle in D…

Das kleine Schwarze stand gottseidank schön kühl unter einem Weidenbaum.
In Borschoff hatte ich erst mal Schwierigkeiten, Kemp Borsov zu finden und kurvte ein Weilchen hin und her – ich war beim Start nach Zlata Koruna abgelenkt gewesen und hatte auf das erste Stück nicht aufgepasst. Ich fand Rut und die Perle aber doch, Rut war in der Hitze schon fast davongeschmolzen. Wir packten alles ins Auto, angelten einen wenig begeisterten Mann zur Mithilfe beim Aufladen der Perle und fuhren über Land nach Lenora am Oberlauf der Moldau.

Da die Wasserqualität und Natur dort so wunderbar gewesen waren, wollten wir das Stück von Lenora nach Sumarsky Most paddeln, welches am Dienstag noch freigegeben war. Leider war es das an diesem Tag nicht – der Pegel war weiter gesunken, und so war dieses Teilstück nun auch gesperrt. Suuuper!!
Wir machten das Beste draus und hielten erstmal Mahlzeit mit Brot und dem restlichen Käse. Der schwitzte auch ganz ordenlich. Dann sprangen wir in die klaren Fluten – soviel zumindest war erlaubt – und aalten uns eine Zeit lang. Nichtstun ist auch mal schön, wenn wir auch seufzend den Fluss hinunter schauten…

Später am Nachmittag fuhren wir nach Cesky Krumlov, auf dessen Altstadt wir sehr gespannt waren.

Und wir wurden nicht enttäuscht.
Dadurch, dass Cesky Krumlov schon 1963 unter staatlichen Denkmalschutz gestellt worden war, ist die Altstadt in ihrem ursprünglichen Ensemble nahezu vollständig erhalten und hat eine einzigartige Atmosphäre. Die Fassaden vieler Häuser sind aufwändig in Sgafitto-Technik bemalt; moderne Schaufenster fehlen. Würde man die vielen Touristen rausscheuchen, könnte man sofort einen historischen Film drehen. Wir waren hingerissen.

Das Schloss ist ein ganz besonderes Schmuckstück. Es ist nach der Prager Burg das zweitgrößte historische Gebäude Tschechiens und prangt in stolzer Dominanz auf einem hohen Felssporn zwischen der Moldau und ihrem Zufluss Polecnice.

Beeindruckende Größe - und das ist nur ein kleiner Teil davon...

Schloss Cesky Krumlov

Beeindruckt es von außen vor allem durch seine Größe und erhabene Lage – es besteht aus vierzig (!) Gebäuden und Palästen, 5 Schlosshöfen und dem Garten – so liegen die wahren Schätze doch vor allem innen. Wertvolle Renaissance- und Barocksäle mit Sammlungen aus fünf Jahrhunderten und das barocke Schlosstheater mit voll funktionstüchtiger Bühnenmaschinerie – eine von weltweit nur zwei im Originalzustand erhaltenen Barockbühnen. Wir allerdings begnügten uns damit, staunend und mit offenen Mündern von Schlosshof zu Schlosshof zu spazieren – auch hier sind die Fassaden unglaublich aufwändig und schön im Sgrafitto bemalt. In einem Hof setzten wir uns ein Weilchen still auf eine Bank an der Wand, um die außergewöhnliche Atmosphäre auf uns wirken zu lassen. Ich sehnte mich nach meiner Spiegelreflexkamera…

Zwischendurch hat man von den einzelnen Höfen immer wieder einen wunderbaren Blick auf den ebenfalls bemalten Schlossturm. Der könnte mal wieder eine Auffrischung vertragen – hat schon bisschen Moos angesetzt…

Nach dem letzten Hof kommt die ebenfalls sehr beeindruckende Mantelbrücke – der Verbindungsgang vom Schloss zum Garten und dem Barocktheater. Sie wurde 1767 dreigeschossig erbaut und bietet einen prima Blick auf DAS Wehr in Krumlov, an dem laut Beschreibung so einige Kanuten baden gehen. So sonderlich schwierig sieht es von oben allerdings gar nicht aus – man muss halt aufpassen, dass einen die Strömung nicht links gegen die Wand klitscht, das könnte tatsächlich der Untergang sein…

Ein Stückchen weiter bietet sich einem dann ein herrlicher Panoramablick auf die Altstadt und das Schloss – welches wiederum ganz schön mächtig da oben sitzt.

Wir genossen den Blick und spazierten noch ein wenig durch den Schlossgarten. Dann trieb uns der Hunger weiter und wir folgten einer stillen Gasse nach unten zur Altstadt. Zwischen den Häusern in dem altertümlichen Ambiente umherzuschlendern war nun ganz was Besonderes – wir konnten uns kaum satt sehen. So viele Sgrafitto-Häuser, und die wenigsten waren so neu renoviert, dass sie nicht ein herrlich malerisches Flair von Vergänglichkeit an sich gehabt hätten – wir waren begeistert. Restaurants gab es zur Genüge, und überall waren Fenster und Türen dem Sommerabend geöffnet und verströmten Gelächter, Geschirrgeklapper und Essensduft…

Gasse in Cesky Krumlov

Gasse in Cesky Krumlov

Gar nicht leicht, sich für ein Restaurant zu entscheiden. Da wir als Kriterien „draußen“ und „an der Moldau“ hatten, grenzte das die Auswahl schon mal ein und wir wählten ein Restaurant zu Füßen des Schlosses. Man ging durch das Haus hindurch in den Gastgarten am Fluss dahinter. Stellenweise schaute aus dem weiß gekalkten Mauerwerk im Haus der Fels heraus, an den es gebaut wurde.
Während wir in den verschiedenen Genüssen schwelgten, dümpelten unter uns auf der Moldau immer mal ein paar aufgeblasene Plastikdingens mit Leuten drauf vorbei, auch mal das eine oder andere verspätete Boot. Unweit des Gastgartens auf einer Brücke spielte eine junge Frau auf der Violine. Durch das Rauschen des Flusses hörten wir leider nicht allzuviel davon.
Nachdem wir auch noch einen großen Palatschinken mit Eis und Himbeeren verdrückt hatten, wankten wir vollgefüllt weiter durch die bezaubernde Stadt.

Natürlich gab es Häuser, vor deren Türen an Ständern schrecklicher Kitsch für die Touristen hing. Doch waren es sehr wenige, und da die üblichen großen Schaufenster völlig fehlten, war das erträglich. Oft waren es kunsthandwerkliche Produkte aus der Region, die zum Verkauf angeboten wurden. Wir entdeckten einen sehr stilvollen Laden mit böhmischen Lebkuchen, Honig, Marmeladen, Schnäpsen, Wein und Bier aus der Region. Da stöberten wir eine ganze Weile herum und kauften schließlich ein paar Leckereien für die Kinder und Katzenversorger zuhause.

Wir wären gerne noch länger durch diese wunderschöne Stadt spaziert, doch hatten wir ja noch drei Stunden Fahrt vor uns. Dabei war das so ein herrlicher Sommerabend… Wir schlenderten zurück zum kleinen Schwarzen, fuhren schweren Herzens los und ließen bis zur Autobahn in Österreich noch ein bisschen tschechischen Heuduft durch die Autofenster…

Cesky Krumlov bei Nacht

Cesky Krumlov bei Nacht