Seefahrt mit Kühen und ein herrlicher Oktobertag hoch über dem Königssee

Kühe auf einem Floß auf dem Königssee

Überfahrt von Salet nach Königssee

Die Tage werden kurz, die Gelegenheiten für Hochtouren rar, doch gestern war Feiertag und schönes Wetter – nichts wie los! Das erste Boot fährt am Königssee jetzt im Herbst erst später, und um 8.30 Uhr stachen wir in See. Schade eigentlich, denn für die 8km über den See bis nach Salet braucht der Elektrokahn eine Stunde – mit Echo-Gedudel-Pause unterwegs – und eine Bergtour erst um halb zehn zu beginnen, ist ein bisschen spät. Zumal es schon um sieben dunkelt…

Wenn man öfters mit dem Boot über den Königssee fährt, kennt man die Geschichterl und Scherze recht gut, die der jeweilige Bootsbegleiter mit den immer identischen Worten zum Besten gibt. Manch einer schafft es, seine Sprüche trotzdem mit Witz und Frische unterhaltsam wiederzugeben – dieser hier nicht, und ich hörte gar nicht hin, hing meinen Gedanken nach und schaute auf die Berge rundum und auf‘s Wasser. Schwarze Tiefe, glatt wie Öl… Dann aber, kurz vor Salet, hörte ich den Begleiter erwähnen, dass an diesem Tag in Salet Almabtrieb sei. Da wurde ich hellhörig. Almabtrieb ist ja überall ein schönes Schauspiel, wenn die Kühe mehr oder weniger geschmückt gemächlich in der Herde den Berg runter schaukeln. Nur sind am Königssee acht Kilometer See zwischen Kuh und Stall, und da Schwimmen von einer Kuh ein bisschen viel verlangt wäre, genießen die Damen zweimal im Jahr eine Bootsfahrt über den Königssee. Just in diesem Moment kam uns die erste muntere Fuhre entgegen, und das war nun wirklich ein ganz besonderer Anblick! Ich Glückliche hatte einen Fensterplatz genau auf der richtigen Seite…

Ein Wunder, dass wir nicht gekentert sind, denn plötzlich drängten sich alle Passagiere auf der linken Bootsseite…

In Salet spitzte gerade die Sonne über die Berge, und bis ich zum Obersee kam, lag dieser auch schon im morgendlichen Sonnenschein. Der Wanderweg führt genau auf den See zu, man sieht ihn smaragden durch die Bäume schimmern, und plötzlich steht man am Ufer in strahlendem Sonnenlicht, vor sich die helle Weite des Sees. Das ist jedesmal ein atemraubender Anblick.

Auf dem Weg um den Obersee herum spiegeln sich die Berge ganz wunderbar im stillen grünen Wasser. Um diese Zeit, wenn man mit dem ersten Boot kommt, sind hier noch keine Touristen und man kann den Morgenfrieden genießen.

 

Blick über den Obersee

Blick zurück über den Obersee

Vom Obersee und der Fischunkelalm weitergehend kommt man in einen Talkessel, der von hohen, senkrechten Felswänden umrahmt ist. Dort stürzt der Röthbach gut 400 Meter in die Tiefe – allerdings stürzte dort grad gar nichts, denn nach dem trockenen Sommer blieb vom Wasserfall nur ein dünnes Silberfädchen übrig. Ein sehr ungewohnter Anblick: Glatte, dunkle Felswand ohne Wasserrauschen.

Vom Talkessel führt der Weg durch die Röthwand zum Landtalbach und an diesem entlang hinauf zur Landtalalm. Ich war in der Früh etwas hastig aufgebrochen und hatte nicht mal Zeit für ein ordentliches Frühstück gehabt, nur eine schnelle Banane während der Autofahrt. Daher grummelte mein Magen schon seit einer geraumen Weile, und so machte ich bei der Landtalquelle Mittagspause.

Die Quelle ist eine der wenigen zuverlässigen Gelegenheiten, da oben an Wasser zu kommen, und selbst dort rann das Wasser aktuell recht dürftig.
Die Sonne hatte sich während meiner Rast hinter einigen Wolken versteckt und ein frisches Lüftchen verhinderte, dass ich es mir allzu gemütlich machte. Ich packte etwas schlotternd zusammen und stieg weiter das Landtal hinauf, bis zur Abzweigung des Eisenpfades. Der führt sehr steil in Stufen eine Wand hinauf und verliert sich weiter oben im Geröll. Statt wie sonst von dort nach rechts hinauf zum Hochsäul zu gehen – von dort ist der Weiterweg über die Schossenköpfe sehr mühsam – folgte ich diesmal dem ehemaligen Steig nach links, durch den flacheren und einfacheren Teil des karstigen Geländes. Ich blieb immer mal stehen – das Panorama der Berge ringsum war überwältigend und meine Beine etwas müde – und entdeckte bei einem dieser Rückblicke, dass nicht weit unterhalb von mir ein großer alter Steinbock gemütlich im Gras lag, völlig relaxt. An dem war ich relativ nah vorbei gestiegen, hatte ihn aber zwischen den Steinbrocken gar nicht gesehen. Ich beobachtete ihn eine Weile, er mich auch, ohne jedoch seine entspannte Liegeposition aufzugeben. Ich habe auf einem Foto seine Hornwülste gezählt – genau kann ich nicht alle erkennen, aber der Knabe dürfte gut zwanzig Jährchen alt sein. Respekt!

Ein Stück weiter kam ich in eine Art Hochtal an der Flanke des Kahlersberges. Der Rückblick zeigt deutlich,  dass dieser Weg sehr viel einfacher ist als eine Tour über die Schossenköpfe (links im Bild)! Während des Aufstiegs über den Eisenpfad hatten die Luftströmungen die Wolken immer weiter aus den Bergen heraus geschoben und jetzt lachte wieder die Sonne vom klaren blauen Himmel.

Die Wand des Kahlersberges

Bärensunk mit Kahlersbergwand und links den Schossenköpfen.

Irgendwann zieht sich die Senke nach Osten, während der Gipfel des Kahlersberges mehr im Nordwesten liegt. Die steilen Wände der Bergflanke werden hier flacher, so dass man gut in Richtung Gipfel aufsteigen kann, was ich denn auch tat. Schön langsam, denn meine Beine wollten nicht mehr so recht bergauf…

Grat auf den Kahlersberg hinauf, im Hintergrund das Hagengebirge

Grat auf den Kahlersberg hinauf – mit dem Gipfel im Rücken – Blick auf das Hagengebirge

Unvermittelt sah ich zwischen den Felsblöcken eine rote Tasche liegen – neugierig angelte ich sie mir. Ein Hunderucksack. Den hatte ein Vierbeiner verloren. Drin war Hundefutter – abgelaufen im September 2015, also grad erst. Bisschen ausgeblichen war die Oberfläche, also lag das Teil da schon ein paar Wochen – oder es war ein altbewährtes Ausrüstungsstück, das schon viel erlebt hat. Jedenfalls brauchte es die Natur nicht, also beschloss ich, es bis zum Stahlhaus mitzunehmen und dort zu lassen – da kommen genügend Leute mit Hund vorbei, da würde es schon jemand brauchen können. Das Hundefutter ließ ich an Ort und Stelle – da freut sich vielleicht die eine oder andere Maus. Ich faltete die Tragetasche und steckte sie unter den Rucksackdeckel.
Am und um den Kahlersberg halten sich gerne Steinböcke auf – die Oberseite des Kahlersberges besteht aus einer riesigen Wiesenfläche – nur diesmal war dort keiner. Am Gipfelkreuz sah ich gegen den hellen Himmel zwei Leute mit Hund – eventuell hatten die ja die Tasche auf dem Weg rauf verloren. Das war zwar sehr unwahrscheinlich – für eine Tagestour nimmt man kein Hundefutter mit – aber vielleicht hätten sie Verwendung dafür. Im Näherkommen sah ich, dass es zwei junge Burschen waren – ein paar zwanzig vielleicht. Mit Hund. Ich fragte sie, ob sie über den Eisenpfad gekommen seien – waren sie nicht – und dass ich da einen Hunderucksack gefunden hätte. Da wurde einer der beiden plötzlich lebhaft: Er hatte im letzten Jahr dort einen verloren, als sein Hund einer Gams hinterher rannte und ohne Rucksack zurück kam. Er hatte dann seine Tour abbrechen müssen mangels Hundefutter… Also hatte der Rucksack tatsächlich schon einen Winter lang da gelegen! Unglaublich – da waren die beiden auch grad an dem Tag und zu der Stunde am Gipfelkreuz, als ich mit dem gefundenen Teil da auftauchte! Und hätte ich den Hund nicht von unten gesehen, wäre ich gar nicht bis zum Gipfelkreuz gegangen, sondern gleich weiter, auf der anderen Bergseite runter… Das war nun wirklich ein Ding! Wir unterhielten uns noch eine Weile über Hundetouren in den Bergen – mit Manja hatte ich ja auch schon einen dabei gehabt – und ich schloss Bekanntschaft mit der Hundedame, einer sanften Mischlingshündin mit altersgrauer Schnauze. Dann machte ich mich an den Abstieg, begleitet von den Dankesbezeugungen des Hundebesitzers.

Der Steig vom Kahlersberg durch das sogenannte „Mausloch“ zum Hochgschirr ist wunderschön und so hoch über dem Landtal auch atemberaubend. Was für ein Blick! Stolpern sollte man allerdings nicht, wenn man keine Flügel hat. Ich sah aber einen, der hatte welche: Ein Falke schoss unterhalb der Kante durch die Luft, blieb rüttelnd auf der Stelle, dann zog er ein Stück weiter. Wann kann man mal einen Falken, der in der Luft steht, von OBEN betrachten?

Im Mausloch selbst – welch herrlicher Name! – turnt man um einige Felsen herum und hangelt sich am Drahtseil entlang – beachtlich, dass die alte Hundedame den Steig so problemlos geht…

Man hat noch einen schönen Blick auf den Seeleinsee – diesen liebe ich schon wegen seines Namens –  und die Soienalm dahinter und kommt dann auf das Hochgschirr, den Sattel zwischen Landtal und Seeleinsee. Letzterer hatte auch deutlich weniger Wasser als im Vorjahr- man sieht es an der hellen breiten Linie am Ufer. Die ist sonst unter Wasser. Der See hat immer so schöne Spiegelungen…

Vorbei an den Mauerresten der Soienalm führt der Weg bergauf in Richtung Schneibstein. Es war schon ziemlich abendlich und ich traf keine Menschenseele, dafür stieß ich auf zahlreiche Gemsen. Dieser Weg ist so herrlich und die Landschaft so wunderschön, aber man kann das eigentlich nur in den Abend- oder frühen Morgenstunden so richtig genießen, bevor sämtiche Wanderer entlangströmen. Der Weg ist eine vielbegangene Strecke zur Wasseralm oder zur Gotzenalm. Da man bis zum Jennergipfel mit der Seilbahn fahren kann,  tummeln sich hier entsprechend viele Besucher. An sonnigen Wochenenden macht das echt keinen Spaß.
Aber da ich bei meinen Touren immer gehe, so weit die Beine tragen, bin ich stets etwas später dran mit dem Rückweg…

Die Sonne sank und ließ die Berggipfel erglühen. Im letzten Widerschein sah ich am Hang eine Gruppe Steinböcke – der dazugehörige Alte graste direkt am Weg. Im Gegensatz zu den Gemsen, die gleich wild davonstieben, lassen sich die Steinböcke -vor allem die abgeklärten Alten – nicht so leicht aus der Ruhe bringen.  Trotzdem machte ich einen gewissen Bogen um den behörnten Herrn am Weg, ich wollte ihn nicht bei der Abendmahlzeit stören. Er fraß auch ungeniert weiter.

Auf dem Weiterweg zum Schneibstein wurde es allmählich dunkel. Ich sah noch einige weitere ziemlich große Gemsengruppen, doch war es zum Fotografieren zu dunkel. Als ich auf dem Gipfel ankam, war nur noch der Widerschein des letzten Lichts auf den Felsen, doch reichte das, um den Weg zu finden – so unangenehm ausgetreten der an sich auch ist, lässt er sich doch genau dadurch auch im Fastdunkel noch erkennen. Die Markierung – roter Punkt in weißem Kreis – ist dabei auch hilfreich, das Weiß leuchtet so schön… Weiter unten verschwindet der Weg zwischen Latschen, da brauchte ich dann doch die Stirnlampe bis zum Stahlhaus. Von da ab geht‘s eine helle Forststraße durch den Wald hinunter nach Königssee – die ist auch im Dunkeln problemlos. Allerdings geht man da gute zwei Stunden durch die Dunkelheit, das ist etwas öde, und meinen Beinen hat‘s auch echt gereicht. Aber was soll‘s, dafür hatte ich oben noch die Steinböcke, und außerdem blinzelten die Sterne so schön durch die Baumkronen…
Trotzdem war ich echt froh, als ich endlich beim Parkplatz ankam und auf den Autositz sinken konnte – da war es auch immerhin schon 22 Uhr.