Oster-Abenteuer am Tagliamento

Kanus beim Anlanden an einer Sandbank

Paddelpause in strahlendem Sonnenschein

Was für ein Abenteuerchen!! Während der Winter den südlichen Teil Deutschlands über Ostern fest im Griff hatte, bin ich mit meiner Weißen Perle nach Friaul entfleucht. Dort sind wir zu zehnt den Tagliamento runter gepaddelt – und das war sooo toll! Es wehte zwar ein ziemlich arktisches Lüftchen und geschwitzt hat keiner, aber immerhin war es trocken und sonnig und deutlich grüner als bei uns.
Während der Fahrt durch Österreich sind wir nochmal so richtig in einen Schneesturm gekommen und auch die Ausläufer des Orkans haben uns tüchtig gebeutelt – mit Perle auf dem Dach ist ein Sturm so eine Sache. Aber nichts konnte uns aufhalten, und irgendwann wurde der Schnee weniger und der Himmel lichter und dann lag auch schon bald das Tal des Tagliamento vor uns, mit blühenden Magnolien.

Wir haben uns in Osoppo getroffen und sind dann zur Einsatzstelle an den Fluss gefahren. Alles ausgeladen, Boote runter, Tarp aufgestellt, Feuer gemacht, Autos zum geplanten Endpunkt in San Giorgio gestellt. Bis dann alle wieder da waren, war es längst dunkel und reichlich kühl, aber unter dem Tarp am Feuer sehr gemütlich. Ich hatte die letzten Packungen fränkischer Steinpilze mitgenommen, die wir an diesem Abend schlemmten.

Ich schlafe ja am liebsten unter freiem Himmel, also suchte ich mir ein wunderschönes Plätzchen auf einer Kieszunge direkt am Fluss. In der Hoffnung, dass der Pegel über Nacht nicht steigen würde (was er doch tat, aber zum Glück nur in Maßen) breitete ich da mein Zeugs aus und stellte die Fresskiste als Windschutz ans Kopfende – was nicht viel nutzte. Egal, ich kuschelte mich rein. Der fast volle Mond leuchtete mir ins Gesicht und verwandelte den Fluss in glitzerndes Silber. Allerdings wurde es nach und nach so saukalt, dass ich in der Nacht noch zwei zusätzliche Schichten Wollklamotten anzog, und am Morgen war Raureif auf dem Schlafsack…
Da die Sonne von einem strahlenden Himmel lachte, wurde es bald wärmer und der weiterhin heftige Wind trocknete alles.

Nach dem Frühstück bauten wir das Lager ab, verstauten alles in den Booten und setzten ein. Endlich wieder – die Winterpause ist vorbei!!
Gleich am Anfang kam eine steile Kurve mit seitlichen Wellen, was uns ziemlich unvorbereitet erwischte – mein Mitpaddler saß das erste Mal in einem Kanadier und ich war auch noch nicht so ganz aus der Winterstarre erwacht – so dass wir schon da fast eine Welle rein bekamen – knapp, knapp… 🙂 und wir schlingerten um die Kurve.

Der Fluss hatte recht wenig Wasser- wir hatten mit wesentlich höherem Wasserstand gerechnet um diese Jahreszeit, aber es war weniger als das letzte Mal zu Pfingsten. Ich saß diesmal vorne, weil ich die Leichtere von beiden war, und benutzte anfangs immer die Paddelschläge, die ich von hinten gewohnt bin – was natürlich nicht funktioniert… Mit den Flusskilometern kam ich aber in Übung und auch wenn es in den folgenden Tagen noch zweimal knapp wurde, so kamen wir doch immer grad noch davon – es waren schließlich am zweiten Tag unsere zwei 26jährigen Jungs, die einen überhängenden Baum mitnahmen (oder der sie) und baden gingen. Brrr… Sie waren dummerweise das letzte Boot in der Reihe gewesen, und bis wir merkten, dass da was nicht stimmte, waren wir anderen schon gute 300m weiter. Wir machten gleich ein großes Feuer – Treibholz gibt es ja nun wirklich genug – spannten ein paar Seile und hängten die Klamotten und Zeugs zum Trocknen auf. Ausgerechnet an diesem Tag war der Himmel bedeckt und wir froren alle schon ohne im Wasser gelandet zu sein, aber die zwei Jungs waren echt tapfer und wir fütterten sie auch gleich ein bisschen – die waren sowieso kaum satt zu kriegen.

 

Wir suchten uns jeden Abend ein feines Plätzchen am Ufer, spannten das Tarp gegen den Wind und kochten auf dem Feuer leckere Sachen. Morgens kochten wir Kaffee und Körnerzeugs fürs Müsli. Die ersten zwei Nächte schlief ich ganz ohne Zelt, aber Samstag auf Sonntag nieselte es abends und ich kam nicht ums Zelt drumrum.

Der Tagliamento ist eine eigene Sorte Fluss. Nicht nur, dass er ein riesiges Kiesbett sein eigen nennt, in dem er sich so wohl fühlt, dass er sich gerne und oft in mehrere  Arme teilt, so dass man schnell entscheiden muss, welcher wohl der Hauptarm ist, weil man sonst irgendwann auf Grund sitzt. Er erlaubt es sich auch, irgendwo südlich von Dignano einfach komplett zu verschwinden und unter dem ganzen Kies weiter zu fließen. Um dann 20 Kilometer weiter wieder aufzutauchen. An der Oberfläche gibt’s da nur manchmal Wasser. Wir hatten beim Autotransfer von der einzigen Brücke, die über dieses Trockenstück führt, geschaut und ein Rinnsal entdeckt, über das man mit viel Glück und leichtem Gepäck schippern könnte. Wir ließen es drauf ankommen und paddelten an der letzten Ausstiegsmöglichkeit vor dem Trockenstück vorbei.

Ging alles ganz prima, wenn wir auch immer wieder mal aussteigen und die Boote über die eine oder andere Untiefe ziehen mussten.

Und dann – plötzlich – verschwand das eh schon dünn gewordene Flüsschen vor uns komplett in einer großen Kuhle. Dahinter war nur staubige Steinwüste, so weit das Auge reichte. Wir waren sprachlos! Bei genauem Hinsehen sahen wir, dass der Wasserpegel stieg – entweder regnete es in den Bergen oder es war Schmelzwasser, dass jetzt hier ankam. Jedenfalls war es schon Spätnachmittag und neben uns war eine wunderbare große Sandinsel, und so schlugen wir unser Lager auf und schauten dem Wasser zu, wie es langsam mehr wurde.

Nachts wachte ich mehrmals auf – in den umliegenden Dörfern läuteten die Glocken der Ostermesse – und hörte das Wasser an der Insel vorbei rauschen. Na bitte, dann würde es am Morgen ja weiter gehen!

Nur, dass am Morgen nix mehr da war – nicht mal mehr bis zu der Stelle, zu der wir am Vortag gekommen waren. Wir sahen in 100m Entfernung noch eine Wasserkuhle, und sonst war vom Fluss gar nix mehr da. Die Boote lagen mitten in der Kieswüste und der nach wie vor heftige Wind blies den Staub in dicken Wolken daher…

Die Boote liegen bereit - aber wo ist das Wasser?

Die Boote liegen bereit – aber wo ist das Wasser?

Ich war die Erste am Tarp, machte Feuer, setzte Kaffee auf und versteckte die mitgebrachten hartgekochten Eier – es war ja Ostersonntag. Da die Eier aber braun waren, hab ich meiner Kreativität beim Verstecken ein wenig Einhalt geboten – sie haben trotzdem alle ziemlich lange gesucht, während ich am Feuer Kaffee getrunken hab. 🙂 🙂

Weiterpaddeln kam nicht in Frage – wie auch ohne Wasser – aber zum Glück war der westliche Rand des „Flussbettes“ nicht weit und dort gab es eine fahrbare Kiesstraße. Wir beschlossen also, an diesem Tag die Boote und Ausrüstung dorthin zu tragen und doch umzusetzen. Freunde von Sam und Barb waren in der Nähe und brachten die Fahrer netterweise zu den Autos, damit wir diese holen konnten. Damit waren wir ziemlich lange beschäftigt und beschlossen, erst am nächsten Tag wieder einzusetzen und diese Nacht noch da zu bleiben.

Während der kräftigere Teil der Gruppe die Boote transportierte, fingen die anderen an, Mittagessen zu kochen. Da der Wind wirklich lästig war, suchten wir dafür eine windgeschütztere Stelle an der Seite der Insel. Mir fiel ein, dass die Plastikkiste mit der Schokolade noch oben in der Sonne stand und ich ging rauf, um sie in den Schatten zu stellen – wär ja schade um das gute Zeug! Da die Büsche noch sehr dünn waren so ohne Laub, gab es vor allem unter dem Tarp Schatten und ich trug die Kiste auf direktem Kurs dorthin. Dummerweise übersah ich dabei die Feuerstelle vom Morgen und trat mit beiden Füßen rein. Barfuß. Der Schmerz war scharf und plötzlich und ich ließ die Kiste fallen und stolperte rückwärts raus. Sofort bildeten sich an den Sohlen Brandblasen. Zum Glück waren in unserer Gruppe zwei Heilpraktiker dabei, und die wurden gleich beide tätig mit heißem Olivenöl und heißer Calendula-Tinktur. Das war nicht angenehm, aber es half. Die Blasen bildeten sich sofort zurück, am Abend konnte ich umherhumpeln (nachdem ich den Nachmittag damit verbracht hatte, im Sand zu sitzen und den anderen beim Gepäcktragen zuzusehen) und am nächsten Tag Schuhe anziehen und fast normal gehen. Glück gehabt.

Am nächsten Tag also setzten wir die Boote um, ließen das Gepäck in den Autos, da das sowieso der letzte Paddeltag war, und paddelten von Morsano bis San Giorgio. Auf diesem Stück ist der Tagliamento ein Fluss von ganz normaler Breite mit Seitenböschungen – kein ewig weites Kiesbett mehr und man muss nicht ständig aufpassen, dass man die richtige Rinne erwischt. Auch schön, wenn auch nicht so wildromantisch wie weiter oben.

Am Ende der Fahrt gönnten wir uns alle einen Kaffee in San Giorgio, dann trennten sich die Wege. Es war da schon Spätnachmittag. Wir waren alle so beglückt von dem Erlebten, das wir beschlossen, bald wieder zusammen paddeln zu gehen. Die Harmonie in der Gruppe war schon besonders gewesen.

Die Fahrt nach Hause war ein Abenteuer für sich. In Österreich schneite es immernoch, in den Tauern war fast kein Durchkommen und überall hingen Fahrzeuge an den Seiten im Schnee fest. Es dauerte eine Ewigkeit und es war kaum zu glauben, dass wir gerade vorher noch im grünsten Frühling unterwegs gewesen waren  – barfuß…